28.11.21 – Migros-Schoggi kosten im Ausland viel weniger

Chocolat Frey kommt in der Schweiz unter Druck und muss deshalb in anderen Ländern wachsen. Die gleichen Produkte wie in der Migros gibt es dort zum Tiefpreis

Erich Bürgler

Migros-Schoggi im Ausland? Die gibt es in vielen europäischen Supermärkten. Aber man muss schon genau hinschauen, um sie zu finden. So stehen im Regal der grossen spanischen Supermarktkette Mercadona verschiedene Schokoladen mit der Beschriftung «Fabricado en Suiza», hergestellt in der Schweiz. Im Kleingedruckten steht auf der Rückseite der Verpackung: M-Industrie. Dahinter steckt Chocolat Frey, der Schokoladenfabrikant der Migros.

Der Industriebetrieb des Grossverteilers positioniert seine Schokoladen in Spanien und anderen Ländern aber nicht als Premium-Produkt im oberen Preissegment. Sie kommen als Eigenmarke daher. Mercadona verkauft zum Beispiel die 180-Gramm-Tafel Milch-Nuss zum Tiefpreis von 1.30 Euro.

Im Migros-Regal steht die gleiche Tafel Milch-Nuss-Schoggi mit der identischen Nährwerttabelle und Zutatenliste in anderer Verpackung. Noch einen Unterschied gibt es: der Preis. Die Migros verlangt in ihren Läden dafür 3 Franken. Das ist im Vergleich mit Spanien mehr als das Doppelte. Obwohl die Mehrwertsteuer in Spanien höher und der Transport in die dortigen Supermärkte länger und damit teurer ist.

Ein Migros-Sprecher hat eine – wie er selber einräumt – «auf den ersten Blick sonderbare» Erklärung für die Preisunter- schiede. «Eine günstige Frey-Schokolade im Ausland hilft mit, die Preise für die Kundinnen und Kunden in der Schweiz zu senken.» Durch den Export seien die Produktionsanlagen von Frey besser ausgelastet und die Betriebskosten tiefer.

Die Migros-Verantwortlichen glauben dabei offenbar nicht, dass sie mit Frey-Schokoladen im Ausland gegen bekannte Marken mithalten können. Ein preisliches Premium-Produkt in Spanien würde das Produktionsvolumen nur geringfügig steigern, sagt der Migros-Sprecher weiter.

«Schweizer Kunden helfen mit Quersubventionierungen»

Der Konsumentenschutz kritisiert die Preispolitik des Konzerns. Der Migros gehe es darum, neue Märkte zu erobern, sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz. «Die Schweizer Kundinnen und Kunden der Migros helfen dabei mit Quersubventionierungen.» So könne die Migros ihr Geschäftsfeld vergrössern und mehr Umsatz generieren. Dass dies den Schweizer Kunden durch tiefere Preise zugutekommt, bezweifelt Stalder.

Tatsache ist, dass Chocolat Frey zum Wachstum im Ausland verdammt ist. In der Schweiz ist der Schokoladenproduzent massiv unter Druck gekommen, seitdem die Migros im April Produkte von Lindt und Toblerone ins Sortiment aufgenommen hat.

Das lukrative Geschäft mit Premium-Schokoladen überlässt Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen den Herstellern von Markenartikeln. «Wir haben zwanzig Jahre lang versucht, das Premium-Publikum mit Frey zu erreichen – aber das hat nicht funktioniert», sagte Zumbrunnen diese Woche in einem Interview mit der «Handelszeitung.» Bei Produkten wie Pralinés sei Lindt nun mal Marktleader.

Doch in den Migros-Supermärkten stehen längst nicht nur Pralinéschachteln und Lindor-Kugeln. Auch in den Aktionskörben haben die Tafelschokoladen von Lindt und die Toblerone-Zacken Frey-Klassiker wie Noxana, Tourist oder Mahony weitgehend verdrängt.

Das sorgt auch innerhalb der Migros für Stirnrunzeln. Als Begründung bei der Einführung der Marken sprachen die Verantwortlichen intern von der Notwendigkeit, Produkte ins Sortiment aufzunehmen, die auch als Geschenk etwas hermachen. Doch wer verschenkt schon eine Fünferpackung Lindt-Milch-Nuss? Mit der Einführung von Lindt kamen Diskussionen auf wie nun bei der Frage, ob die Migros-Supermärkte in Zukunft Alkohol verkaufen sollen. Der orange Riese gibt in beiden Fällen Alleinstellungsmerkmale auf.

Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen verspricht zwar: «Frey bleibt für uns die Nummer eins.» Doch der hauseigene Hersteller kämpft in den Migros-Supermärkten nicht nur gegen Premium-Marken, sondern auch gegen Billigkonkurrenz aus dem Ausland. So verkauft die Migros unter dem Label M-Classic auch günstige deutsche Milchschokolade. Die Migros, aber auch die Discounter Lidl und Aldi befeuern damit einen Trend: Die Schweizerinnen und Schweizer kaufen immer mehr ausländische und immer weniger inländische Schokolade.

Besucherzentrum von Chocolat Frey wurde 2020 geschlossen

Wie Frey an Gewicht im Migros-Konzern verliert, zeigen einige strategische Entscheide. Chocolat Frey hat keinen eigenen Chef mehr. Staat dessen hat die Migros im Frühling das Geschäft mit Kaffee, Schokolade, Biscuits und Glacé unter dem Namen Delica zusammengefasst. Am Produktionsstandort Buchs (AG) liess Delica-Chef Raphael Gugerli Chocolat Frey Schilder abmontieren und Delica-Tafeln aufstellen.

Das Besucherzentrum von Chocolat Frey in Buchs wurde schon 2020 geschlossen. Als Grund nannte der Konzern auch die fehlende Wirtschaftlichkeit. Fabrice Zumbrunnens Vorgänger Herbert Bolliger schnitt bei der Eröffnung des Zentrums 2014 das rote Band durch und Ex-Miss-Schweiz Christa Rigozzi moderierte das Geschehen. Eine «erlebnisreiche und sinnliche Reise rund um die Welt der Schokolade», sollte das Zentrum bieten. Neu dienen die Räumlichkeiten als «internes Mehrzweckgebäude».

Wie stark Frey in der Schweiz seit der Einführung von Lindt gelitten hat, gibt die Migros nicht bekannt. Im Gegensatz zu früher veröffentlicht die Migros keine Zahlen mehr zum Schokoladengeschäft. Auch der Exportanteil bleibt geheim.

Der soll in den kommenden Jahren steigen. Denn unter den derzeitigen Umständen bleibt Frey gar nichts anderes übrig, als das Wachstum ausserhalb der Schweiz zu suchen. Konsumentinnen und Konsumenten im Ausland dürfen sich über günstige Migros-Schoggi freuen. Und vielleicht etabliert sich ja ein neues Phänomen: Schweizer Touristen bringen von ihren Ferien preiswerte Schokolade von Frey mit nach Hause.